Outsourcing der Logistik

Einführung

Mit dem Begriff „Outsourcing“ bezeichnet man den gezielten Einsatz von Marktpartnern für die Produktion bestimmter logistischer Dienstleistungen, die man zuvor auf der Basis eigener Ressourcen selbst erstellt hat. Typische Beispiele für entsprechende Verlagerungen der Schnittstelle zwischen Unternehmung und Markt sind die Fremdvergabe von Transport- und Lagerhaltungsaufgaben. Bisweilen erstreckt sich der Einsatz von Dienstleistern darüber hinaus auch auf administrative Prozesse und Steuerungsfunktionen wie beispielsweise die Auftragsannahme und/oder die Aufgaben einer Versandabteilung.

In der jüngeren Vergangenheit hat sich in der Praxis ein deutlicher Trend zu einem verstärkten „Outsourcing“ logistischer Dienstleistungen herausgebildet. Viele Industrie- und Handelsunternehmen haben ihre eigenen Logistikbereiche dem Vergleich mit den Wettbewerbsangeboten logistischer Dienstleistungsunternehmen unterzogen, um zusätzliche, unternehmensintern nicht realisierbare Einsparungspotentiale zu erschließen (Erfolgsstrategien der Logistik).

Kostenwirkungen des Outsourcing

Für derartige Kostenvorteile gibt es verschiedene Ansatzpunkte, die man kennen sollte, um die Nachhaltigkeit der in den Offerten von Dienstleistungsanbietern angebotenen Preise überprüfen zu können. Zunächst einmal können fremde Dritte durch eine volumenabhängige Kostendegression Effizienzvorteile gegenüber einer „Eigenfertigung“ erlangen. Voraussetzung hierfür ist der Einsatz unspezifischer Investitionsgüter im Rahmen weitgehend standardisierter Produktionsprozesse.

Prägnante Beispiele für solche Dienstleistungen sind insbesondere Stückgutlinienverkehre von Netzspeditionen und Paketdienste. Neben derartigen „economies of scale“ kann auch eine Kostensenkung durch Auslastungsoptimierung eine wesentliche Rolle spielen. So erwarten beispielsweise Unternehmungen, deren Absatzverlauf einen ausgeprägten Saisonzyklus aufweist, von der Zusammenarbeit mit einem Dienstleister, dass dieser die Auslastungsschwankungen einer Vielzahl von Kunden in seinem Bereich mit kompensierender Wirkung mischen kann (was sich dann nicht nur in niedrigeren Durchschnittskosten, sondern vor allem auch in einer Flexibilisierung fixer Kosten zeigt).

Während die Auslastungsproblematik bei Saisonzyklen den Charakter eines strukturellen Problems hat, geht es bei der Kompensation von Nachfrageunsicherheiten im Kern um die Bewältigung von Prognoseproblemen. Der Ansatz zur Kostensenkung über eine Kooperation mit fremden Dienstleistern führt hier über den Weg einer intelligenten Risikoverlagerung, wobei wiederum unterstellt wird, dass Dienstleister, die für mehrere Kunden tätig sind, ähnlich wie eine Versicherung für alle Beteiligte vorteilhafte Kompensationseffekte erzeugen. Ähnlich zu bewerten sind Pooleffekte, die ein Dienstleister z.B. dadurch realisieren kann, dass er die von ihm vorgehaltenen Ressourcen flexibel auf verschiedene Produktionsaufgaben aufteilen kann. So kann man beispielsweise bei einem größeren Personalstamm Urlaubs- und Krankheitsvertretungsprobleme leichter lösen.

Ein wesentliches Argument für eine Fremdvergabe logistischer Leistungen kann auch der Hinweis auf Spezialisierungsvorteile liefern. In der Produktionswirtschaft hängen Spezialisierungseffekte („economies of skill“) oft unmittelbar mit dem bereits beschriebenen Volumeneffekt zusammen. Höhere Stückzahlen ermöglichen über Lernprozesse im Zeitablauf eine zunehmend bessere Prozessbeherrschung und führen damit zu einer sukzessiven Senkung der Produktionskosten pro Leistungseinheit.

In der Logistik dagegen ergeben sich die Vorteile der Spezialisierung in der Praxis oft weniger als Folge der höheren „Stückzahlen“ des jeweiligen Dienstleistungsunternehmens, sondern resultieren primär aus der höheren Aufmerksamkeit für diesen Teil des Geschäftes. Das Spezialisierungsargument mischt sich dabei vielfach mit der Annahme motivationsbedingter Produktionskostenvorteile. Man unterstellt, dass die jeweils betrachteten Serviceprozesse durch ein Outsourcing in eine „Umgebung” überführt werden, in der sich mit einer deutlich höheren Wahrscheinlichkeit prozeßbezogenes Spezialwissen herausbilden, erneuern und weiterentwickeln wird.

Vielfach steht bei einer Fremdvergabe logistischer Leistungen in der Praxis auch der Gesichtspunkt Pate, die Unterschiede in den Kosten des Faktors Arbeit zwischen verschiedenen Branchen auszunutzen. Bei diesem Kostenvorteil handelt es sich der Natur nach nicht um einen echten Effizienzvorteil des Dienstleisters, sondern um einen künstlichen Preisvorteil eines Produktionsfaktors, der tarifvertraglich bedingt ist und aus der Verfassung des nationalen Arbeitsmarktes resultiert.

Eine Realisierung von Arbitragegewinnen aus der Verlagerung der Dienstleistungsproduktion in eine Niedriglohnbranche wird allerdings durch das deutsche Arbeitsrecht zum Teil erheblich erschwert. Außerdem kann man angesichts der zunehmenden Flexibilität und Konzessionsbereitschaft von Arbeitnehmervertretern bei der Verteidigung ihrer Arbeitsplätze Zweifel hegen, ob die hier betrachteten Arbitragegewinne so nachhaltig sind, wie man dies für die Fundierung einer strategischen Entscheidung erwarten muss.

Schließlich kann man für ein Outsourcing noch Opportunitätskostenaspekte geltend machen. Auf der Basis dieser Argumentation kann man auch dann zu einer Entscheidung für eine Fremdvergabe kommen, wenn die Preisofferten von Dienstleistern über den eigenen Produktionskosten liegen. Da die Differenz als Verzinsung auf das in den eigenen Logistikressourcen gebundene Kapital interpretiert werden kann, ist die Frage aufzuwerfen, ob eine alternative Kapitalverwendung nicht zu höheren Erträgen (= Opportunitätskosten des „insourcing“) führen würde.

Strategische und organisatorische Aspekte des Outsourcing

Obwohl Produktionskostenvergleiche auf der Basis der hier angesprochenen Aspekte oft im Zentrum der Überlegungen stehen, bestimmen sie im allgemeinen nicht allein das Ergebnis von Entscheidungsprozessen. Die in aller Regel parallel angestellten Betrachtungen nicht quantifizierbarer Einflußgrößen kreisen um die Begriffe „Kernkompetenz“ und „Abhängigkeit“.

Zur Kernkompetenz werden gemeinhin Prozesse gerechnet, die zur Differenzierung des Unternehmens im Markt beitragen können. Die Entdeckung der Logistik als Marketinginstrument hat den Lieferservice bei vielen Unternehmungen in eine strategische Dimension geführt, wobei die (in der Praxis außerordentlich schwierige) Einstufung als Kernkompetenz letztlich zu einer Immunisierung eigener Dienstleistungsbereiche gegen den Wettbewerb durch fremde Dritte führt.

Im Kern wird mit derartigen strategischen Überlegungen der Aspekt der Kontrolle über ein als besonders wichtig erachtetes unternehmerisches Know How fokussiert. Man geht davon aus, dass eine Weiterentwicklung erfolgskritischer Fähigkeiten und Fertigkeiten problematischer wird und/oder dass dieses Know How im Falle einer Fremdvergabe schlechter gegen die Konkurrenz geschützt werden kann, wenn das Unternehmen dabei über Lieferverträge auf die Einsatzpotentiale von Menschen und Investitionsgütern zugreifen muß, die ihnen im Entscheidungszeitpunkt noch direkt durch Arbeitsverträge verpflichtet sind bzw. an denen sie noch die Verfügungsrechte von Eigentümern haben.

Das Abhängigkeitsproblem stellt sich freilich nicht nur bei strategisch als wichtig eingestuften logistischen Dienstleistungen und kann insoweit als eigenständiger Problemtatbestand aufgefasst werden. Die Furcht vor den Folgen der Abhängigkeit führt in der Regel dazu, dass man von einer Fremdvergabe ausgeprägte Produktionskostenvorteile verlangt. Soweit solche Effizienzgewinne in Aussicht stehen, werden Anstrengungen unternommen, das Abhängigkeitsproblem durch geeignete vertragliche Arrangements zu entschärfen (beispielsweise durch Open-Books-Vereinbarungen oder durch die Gründung gemeinsamer Tochtergesellschaften mit Dienstleistungspartnern).

Die Bedeutung der Transaktionskosten

Das hier zuletzt angesprochene Kontrollproblem steht im Mittelpunkt der Überlegungen eines in jüngerer Zeit stärker beachteten, eigenständigen Theorieansatzes, der die Make-or-buy-Entscheidung vollständig von einem Produktionskostenvergleich lösen möchte. Die Anhänger der Transaktionskostentheorie stehen auf dem Standpunkt, dass das primäre Problem bei der Verteilung von Verfügungsrechten am Eigentum der in der Logistikkette eingesetzten Produktionsmittel die Frage ist, wie man ein opportunistisches Verhalten der jeweiligen Leistungsträger am besten unterbinden kann. Gesucht wird dasjenige Arrangement, bei dem die zur Verhinderung opportunistischen Verhaltens aufzuwendenden Koordinationskosten am niedrigsten sind.

Dabei wird davon ausgegangen, dass das Risiko opportunistisch agierender Dienstleister tendenziell um so größer ist, je spezifischer die eingesetzten Investitionsgüter sind und je weniger deshalb ein Dienstleistungspartner durch den Druck eines permanenten Wettbewerbs kontrolliert werden kann. Aus diesem Zusammenhang zwischen Spezifität von Ressourcen und Opportunismusgefahren (bzw. den Kosten zu deren Eindämmung), wird die Empfehlung abgeleitet, die Träger logistischer Leistungen um so intensiver vertraglich einzubinden, je weniger „marktfähig“ die benötigten Ressourcen und Prozesse sind. Im Grenzfall verbleibt als wirksamer Schutz vor Abhängigkeit nur das insourcing.

Da bei spezifischen Investitionsgütern auch einige zentrale Produktionskostenvorteile entfallen (in diesem Falle sind größenbedingte Kostenvorteile ebensowenig möglich wie eine Flexibilisierung fixer Kosten), weisen die Empfehlungen der Transaktionskostentheorie tendenziell in die gleiche Richtung wie die in der Praxis nach wie vor üblichen logistischen Produktionskostenvergleiche. Eine vollständige Vernachlässigung von Produktionskosten, wie sie von einigen Anhängern der Transaktionskostentheorie empfohlen wird, erscheint jedoch schon deshalb nicht sinnvoll, weil es auch bei hochspezifischen Investitionsgütern noch Produktionsvorteile fremder Dritter geben kann (z. B. aufgrund niedrigerer Lohnkosten oder einer ausgeprägteren Dienstleistungsmentalität).

Im übrigen erscheint das (hier nur sehr kursorisch beschriebene) gedankliche Instrumentarium der Transaktionskostentheorie aufgrund der Unschärfe der hier benutzten Begriffe (vor allem des Transaktionskostenbegriffes selbst) kaum geeignet, in Konfliktsituationen konkrete Empfehlungen zu begründen. Das im Zentrum dieser Theorie stehende Abhängigkeitsproblem wird in seiner Bedeutung für die Make-or-buy-Entscheidung überbetont, dabei gleichzeitig aber nur unzureichend gelöst.


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