Konstruktionsbegleitende Kalkulation

Kalkulation, konstruktionsbegleitende ist die Bereitstellung von Kosteninformationen in allen Phasen des Produktentstehungsprozesses mit dem Ziel einer Verringerung der Produktkosten. Kürzere Produktlebenszeiten i.V.m. dem gestiegenen Kostendruck lassen die Forderung nach der schnelleren Verfügbarkeit präziserer Kosteninformationen für die Entscheidungsunterstützung im gesamten Leistungserstellungsprozess immer wichtiger werden.

Erfahrungsgemäß werden die Grundlagen für eine wirtschaftlich und technisch optimale Produktgestaltung bereits in den frühen Konstruktionsphasen gelegt (80:20 Regel), allerdings ist die Abschätzung der Kostenwirkungen in dieser Phase am schwierigsten. Dieses „Dilemma der konstruktionsbegleitenden Kalkulation“ basiert auf den gegenläufigen Informationsflüssen und Vorgehensweisen bei der Konstruktion („top-down” verfeinernd und verzweigend) und der Kalkulation („bottom-up“ sammelnd und aggregierend).

Eine Differenzierung der Verfahren zur konstruktionsbegleitenden Kalkulation kann zwischen qualitativen, quantitativen und IT-basierten Verfahren erfolgen. Bei letzteren spricht man auch von Kosteninformationssystemen. Qualitative Verfahren können zur Vorauswahl bei der Lösungssuche eingesetzt

werden. Der Konstrukteur erhält Informationen, die ihm helfen, die Kosten seines Produktes zu beeinflussen. Qualitative Verfahren stellen somit ein Hilfsmittel zur Lieferung von Kosteninformationen bei der Lösungssynthese dar. Sie helfen, einen voraussichtlich kostengünstigen Entwurf zu erstellen. Die Kernfrage lautet: Wie wird das Produkt kostengünstiger? Quantitative Verfahren haben die Aufgabe, die mit einem Lösungsvorschlag verbundenen Kosten zu ermitteln. Sie unterstützen die Bewertung der verbliebenen Lösungsvorschläge und erleichtern die Auswahl zwischen Lösungsalternativen. Der Konstrukteur kann mit ihrer Hilfe die Einhaltung des Kostenziels überprüfen. Somit stellen sie ein Hilfsmittel zur Feststellung der Eigenschaft Kosten dar. Die Kernfrage lautet hier: Wie viel kostet das Produkt? Beide Lösungsprinzipien können durch (mehr oder weniger komplexe) IT unterstützt werden, was im Rahmen eigenständiger Programme erfolgt (vgl. die Abb. zu einem Überblick).

Heuristische Regeln werden angewendet, um Beziehungen zwischen den zu erwartenden Kosten und verschiedenen in der Konstruktionsphase festgelegten Produktmerkmalen anzugeben. Sie beruhen häufig auf Erfahrungswissen. Einfache Regeln für eine kostengünstige Konstruktion sind z.B. „Verwendung großer Toleranzen“, „weniger Teile“, „viele Gleichteile“. Die Einfachheit dieser Regeln birgt jedoch auch die Gefahr in sich, dass innovative Lösungen verhindert werden können.

Gut-/Schlecht-Beispiele dienen dazu, Regeln gut vermittelbar und einprägsam darzustellen. Sie können in Form von Richtlinien und Konstruktionsempfehlungen, die bekanntermaßen kostengünstig sind, dem Entwickler zur Verfügung gestellt werden.

Bei Relativkosten handelt es sich um Bewertungszahlen, die das Kostenverhältnis alternativer möglicher Lösungen untereinander oder in Bezug zu einer Basiszahl angeben. Wenn sich Produktionsmittel, Fertigungsverfahren oder Werkstoffpreise ändern, so müssen die Relativkosten neu berechnet und aktualisiert werden. Die Anwendung von Relativkosten führt dazu, dass die Konstrukteure die Qualität nicht mehr am Möglichen sondern am Notwendigen ausrichten.

Die Gewichtskostenmethode und die Materialkostenmethode arbeiten mit einfachen Proportionalitäten. Sie beruhen auf einem konstanten Anteil der Materialkosten an den Herstellkosten des Einzelteils. Diese Annahme ist bei hohen Materialkosten durch Quantität (wie etwa bei schweren Gussteilen) oder durch Qualität (wie etwa Edelmetallanteile) gegeben. Bei der Gewichtskostenkalkulation werden die Kosten bekannter Produkte auf ihr Gewicht G bezogen und so der Gewichtskostensatz HKg = HK/G [€/kg] ermittelt. Anschließend können die Kosten eines ähnlichen Produkts durch Multiplikation seines Gewichtes mit dem Gewichtskostensatz ermittelt werden.

Da normalerweise kleine, leichtere Teile einen höheren Gewichtskostensatz aufweisen als größere, schwere Teile, wird die Genauigkeit erhöht, indem der Gewichtskostensatz in Abhängigkeit von der Baugröße angegeben wird. Die Gewichtskostenkalkulation ist besonders geeignet für Produkte mit hohem Materialkostenanteil. Dies trifft für große Produkte und sowie für kleine Produkte zu, die in hoher Stückzahl gefertigt werden.

Bei der Verwendung von Bemessungsgleichungen werden Formeln zur Material- und Teilefertigungskostenkalkulation mit der technischen Auslegung, etwa mit der Festigkeitsberechnung verbunden. Dieses Vorgehen verfolgt das Ziel, ein ganzheitliches Optimum zu ermitteln, indem technische und wirtschaftliche Faktoren in einer Gleichung verknüpft werden.

Absolutkostenkataloge stellen verwenden Kostenangaben, die auf eine Einheit bezogen werden, z.B. Stammdatensätze mit Kosteninformationen oder Preislisten für Zukaufteile. Der Vorteil liegt darin, dass die Informationen leicht zu beziehen sind. Sie sind ohne Aufbereitung verwendbar und werden meist routinemäßig aktualisiert. Außerdem können sie vom Konstrukteur für beliebige Aufgaben gebraucht werden. Als Nachteil erweist sich der oftmals hohe Aufwand zum Auffinden der gewünschten Daten und die Tatsache, dass die Anwendung auf Norm-, Standard- und Wiederholteile nur eingeschränkt möglich ist.

Die Kurzkalkulationen erlauben anhand von Konstruktionsvariablen eine Ermittlung der Selbstkosten und Herstellkosten. Die wesentlichen Zusammenhänge der Kostenverursachung werden durch die Verknüpfung von Haupteinflussgrößen abgebildet. Verschiedene Arten der Kurzkalkulationen verwenden unterschiedliche Kostenblöcke, z.B. Herstell- oder Materialkosten. Meist beruhen sie auf statistischen Methoden wie etwa der Regressionsrechnung. Sie bieten den Vorteil, dass aus den Kalkulationsformeln auch Regeln für die konstruktive Gestaltung abgeleitet werden können. Kurzkalkulationen, die auf Ähnlichkeit beruhen, können weiter unterteilt werden in Kostenwachstumsgesetze und Suchkalkulationen.

Kurzkalkulationen aufgrund von Kostenwachstumsgesetzen finden i.d.R. bei geometrisch ähnlichen Produkten innerhalb von Baureihen Verwendung. Bei einer geometrisch ähnlichen Baureihe ist stets das Verhältnis aller jeweiligen Längen bei den Folgeentwürfen der Baureihe zum Grundentwurf konstant. Falls eine Proportionalität zwischen Kosten und Zeiten besteht, dann kann die Ähnlichkeitsbeziehung auch Zeiten enthalten.

Das Verfahren der Suchkalkulation beruht auf dem Prinzip, die Kosten von Kalkulationsobjekten über den Vergleich mit ähnlichen, bereits produzierten und kalkulierten Objekten zu ermitteln. Die Genauigkeit der Methode wird im Wesentlichen vom verwendeten Nachkalkulationsverfahren und vom Suchalgorithmus determiniert. Als Kalkulationsobjekte können Funktionen, Produkte, Baugruppen oder Einzelteile verwendet werden. Dies ist jedoch abhängig vom Detaillierungsgrad der gespeicherten Informationen.

Als Beispiele für die Anwendungsgebiete von Simulationsmodellen zur Kostenermittlung können etwa die Auswirkungen innerbetrieblicher Normung auf Einkauf und Lagerwesen oder die Unterstützung der kostenoptimalen Planung von Fertigungsanlagen in der Betriebsmittelkonstruktion genannt werden. Cost Tables haben die Aufgabe, den Konstrukteuren aufzuzeigen, welche Kostenwirkungen die Verwendung unterschiedlicher Materialien, Produktionsmethoden und Produktgestaltungen hat. Die Informationen sind dabei überwiegend in computergestützten Datenbanken abgelegt. Das System der Cost Tables wurde in Japan entwickelt. Dort wurden sie für die frühzeitige Abschätzung der Einzel- und teilweise auch der Gemeinkosten unterschiedlicher Konstruktionsvarianten neuer Produkte oder verschiedener Produktmodifikationen eingesetzt.

Sie beruhen auf in der Vergangenheit akribisch erfasstem Erfahrungswissen. Die Informationen werden systematisch gesammelt, ausgewertet und in Datenbanken in Form von sehr umfangreichen Katalogen und Listen meist computergestützt gespeichert. Dadurch sind alle relevanten Kosteninformationen zeitnah und systematisch am Arbeitsplatzbildschirm für jedes Entwicklungsprojekt und von jedem Entwicklungsingenieur frei abrufbar.

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