Fertigungsablaufprinzipien

Unter einem Fertigungsablauf wird die räumliche, zeitliche und technologisch bedingte Abfolge von materiellen und informationellen Interaktionen zwischen Mensch, Betriebsmittel und Werkstück zur Erfüllung einer Fertigungsaufgabe verstanden. Fertigungsablaufprinzipien bringen ein allgemeines Muster von Interaktionsfolgen zur Erfüllung von betrieblichen Kosten-, Zeit-und Qualitätszielen zum Ausdruck. Charakteristisch ist die Geltung des realisierten Ablaufprinzips innerhalb eines klar abgrenzbaren Fertigungsbereiches über eine bestimmte Zeitspanne hinweg.

Planungsvorgehen im situativen Kontext

Die Planung der Fertigungsablaufprinzipien wird ausgelöst durch Rationalisierungsbestrebungen oder die Anpassung an eine Änderung des am Markt angebotenen Leistungsprogramms. Im Regelfall beinhaltet sie Ersatzinvestitionen in bestehenden Produktionsstätten. Darüber hinaus können Erweiterungs- oder Neuinvestitionen im Zuge eines Unternehmenswachstums geplant werden. Die Prozessstrukturierung umfasst eine Analyse der gegenwärtigen und künftigen Fertigungssituation, das Aus-arbeiten von alternativen Fertigungsablaufprinzipien sowie deren Bewertung, Auswahl und Realisierung.

In Bezug auf die schrittweise Konkretisierung der Planungsinhalte können Grob- und Detailplanung unterschieden werden. Zum wesentlichen Planungsinhalt zählt die Bestimmung der räumlichen Layoutkonfiguration von Arbeitsplätzen und Produktionsanlagen sowie die material- und Informationsfluss technische Verknüpfung der Bearbeitungssysteme.

Das Planungsvorgehen orientiert sich an Teilzielen, die aus dem übergeordneten Zielsystem des Unternehmens abgeleitet werden. Hierzu zählen die Schaffung eines Potentials zur Anpassung der Fertigungsabläufe an veränderte Marktbedingungen sowie die Realisierung kostenminimaler Produktionsabläufe. Zur Minimierung fertigungsablaufbedingter Kosten tragen die Implementierung der kürzest möglichen Transportverbindungen, der Einsatz kostenwirtschaftlicher Förder- und Handhabungstechnik, die Komplexitätsreduktion der Arbeitsabläufe zur Erhöhung der Fertigungstransparenz und Reduzierung des Planungs- und Steuerungsaufwands sowie die ablaufbezogene Bestandsoptimierung bei.

Die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens wird zunehmend nicht nur durch Flexibilität und Kostenwirtschaftlichkeit der Produktionsabläufe bestimmt, sondern auch durch die Einhaltung kurzer Lieferzeiten und vorgegebener Qualitätsstandards. Für eine Planung des Fertigungsablaufs steht somit die Verkürzung der Transport- und Liegezeiten zwischen den Bearbeitungsvorgängen im Mittelpunkt.

Hierbei können fertigungsablaufbedingte Liegezeiten einen Großteil der Durchlaufzeiten ausmachen. Sie erfordern zur Engpassvermeidung im Vorfeld die kapazitative und zeitliche Abstimmung der Arbeitsgangfolgen. Die Erfüllung von Qualitätsstandards erfolgt durch fertigungsablaufintegrierte Prüfvorgänge, die eine Fehlerbehebung am Ort der Entstehung ermöglichen und aufwendige Nacharbeiten vermeiden sollen.

Die Planung der Fertigungsablaufprinzipien sollte sich in einem ganzheitlichintegrierten Vorgehen widerspiegeln; sie ist eng verzahnt mit der Planung des Werkslayout. Der betrachtete Fertigungsablauf repräsentiert lediglich einen Ausschnitt in der betrieblichen Logistikkette, die auf der Beschaffungsseite beginnt und mit der Auslieferung des Endprodukts an den Kunden endet. Planerisch erfordert diese ganzheitliche Perspektive eine prozessorientierte Integration des Fertigungsablaufs in die bereichsvor- und -nachgelagerten Wertschöpfungsstufen mit dem Ziel der Schnittstellenharmonisierung.
Das Wettbewerbspotential aus der Ablaufoptimierung eines begrenzten Fertigungsbereichs kann durch ablaufbedingte Defizite in den vorangehenden oder nachfolgenden Segmenten der Prozesskette absorbiert werden.

Fertigungsablaufprinzipien existieren nicht in einem Vakuum betrieblicher Tätigkeit. Der Planungsprozess wird durch Faktoren beeinflusst, die den Rahmen der potentiellen Alternativen abstecken. Eine wesentliche Determinante der Fertigungsabläufe bildet dabei die verfolgte Wettbewerbsstrategie des Unternehmens. Eine auf Kostenführerschaft basierte Marktpräsenz wird zur Realisierung von standardisierten Fertigungsabläufen führen, die eine Bearbeitung großer Stückzahlen mit hohem Wiederholungsgrad in fest vorgegebener Ablauffolge ermöglichen. Die Umsetzung der Differenzierungs- und Nischenstrategie hingegen muss in den Fertigungsabläufen die Möglichkeit kundenindividueller Anpassungen bei zumeist kleinen Losgrößen gewährleisten.

Die eigentliche Auswahl des zu realisierenden Fertigungsprinzips kann auf der Basis von Methoden der dynamischen Investitionsrechnung und/oder der Nutzwertanalyse erfolgen, die eine Berücksichtigung nicht quantifizierbarer Zielgrößen erlaubt.

Gestaltungsalternativen des Fertigungsablaufs

1. Werkstattfertigung
Die Werkstattfertigung ist gekennzeichnet durch eine räumliche Konzentration der Betriebsmittel mit gleichen oder ähnlichen Funktionen als definiertem Fertigungsbereich und entspricht dem Verrichtungsprinzip. Grundsätzlich besteht aufgrund der kapazitativen Mehrfachausstattung mit Maschinen gleicher Funktion (z.B. Bohrerei, Fräserei, Dreherei) Durchlauffreiheit der Werkstücke innerhalb der Werkstatt. Die Festlegung des konkreten Produktionsablaufs einzelner Fertigungsaufträge erfolgt daher mit relativ kurzem Zeitvorlauf durch die Maschinenbelegungsplanung des PPS-Systems. Das übergeordnete Produktionsprogramm ist gekennzeichnet durch eine starke Variabilität der Endproduktvarianten und -mengen in Form einer kundenorientierten Einzel- und Kleinserienfertigung.

Zu den technischen Elementen zählen in der mechanischen Fertigung vor allem konventionelle und NC-/CNC-gesteuerte Bearbeitungsstationen. Der Materialfluss innerhalb des Werkstattbereichs wird zumeist manuell unter Zuhilfenahme von Transportvorrichtungen vorgenommen. Mit Anstieg von Werkstückgröße und -gewicht kommen mechanisierte Transport- und Handhabungseinrichtungen (z.B. Hebezeug und Kräne) zum Einsatz. Eine Automatisierung des Materialflusses ist aufgrund der Schwankungen in Werkstückart und -menge sowie der Durchlauffreiheit kaum möglich.

Die Vorteile der Werkstattfertigung liegen insbesondere in dem Potential der Reagibilität auf spezielle Kundenwünsche. Dieses wird durch das breite Einsatzspektrum der Bearbeitungsmaschinen geschaffen. Es findet seine Begrenzung in den technischen Parametern der Maschinen, zu denen beispielsweise die Abmessungen des Arbeitsraums oder der Werkzeuge zählen. Durch bereichsinterne Funktionsduplizierung erhält die Werkstattfertigung außerdem eine gewisse Störungstoleranz.

Der Ausfall einer Maschine kann bedingt ausgeglichen werden durch das Ausweichen anstehender Fertigungsaufträge auf andere Bearbeitungsstationen, die im günstigsten Fall kapazitativ nicht ausgelastet sind. Nachteilig wirken sich die Wahlfreiheit des bereichsinternen Materialflusses und die große Anzahl zu bearbeitender Fertigungsaufträge in kleinen Losen aus. Sie führen zu einer Erhöhung des Koordinations- und Planungsaufwandes der Arbeitsvorbereitung und zur Verlängerung der Transportwege. Ein Ablaufdiagramm der potentiell möglichen Wegstrecken visualisiert die Komplexität und Unübersichtlichkeit der Materialflüsse im Werkstattbereich.

Die Häufigkeit auftragsbedingter Werkstückwechsel erfordert darüber hinaus einen korrespondierenden Umrüstungsaufwand der Bearbeitungsstationen. Unterschiedliche Bearbeitungszeiten der Fertigungsaufträge können engpassbedingte Warteschlangen vor den Bearbeitungsstationen verursachen und somit die Einrichtung von Zwischenlägern bewirken.

2. Fließfertigung
Die Fließfertigung rückt als Objektprinzip das Werkstück in den Mittelpunkt der Produktionsorganisation und beinhaltet die Anordnung der Betriebsmittel in einer eindeutig vorgegebenen Sequenz der Arbeitsgänge. Ein wesentliches Merkmal ist der hohe Wiederholungsgrad identischer Bearbeitungsvorgänge in stets gleicher Folge gemäß dem Prinzip der Innenverkettung. Dabei müssen alle Bearbeitungsstationen materialflusstechnisch durchlaufen werden, auch wenn dort keine Veränderung des Werkstücks vorgenommen wird. Die konkrete Anordnung der Bearbeitungsstationen kann beispielsweise in Linien-, Bogen- oder Kreisstruktur erfolgen.

Im Gegensatz zur Werkstattfertigung erfordern die Einsatzvoraussetzungen eine geringe Änderungswahrscheinlichkeit der in einem bestimmten Zeitraum herzustellenden Werkstückarten und -mengen sowie geringfügige kundenspezifische Anpassungen. Die Fließfertigung findet sich vor allem in der Großserien- und Massenfertigung, beispielsweise der Elektroindustrie und dem Automobilbau. Zu den spezifischen Ausprägungsformen zählen die Fließbandfertigung, bei der die einzelnen Arbeitsstationen durch ein Transportsystem im getakteten Betriebsmodus verbunden sind, sowie die Reihenfertigung, die eine direkte Zeitbindung zwischen den Arbeitsgängen aufhebt und unterschiedliche Bearbeitungszeiten durch Zwischenpuffer ausgleicht.

Der materialflußtechnische Vorteil kurzer Durchlaufzeiten fördert die Termintreue. Weitere Vorteile entstehen aus einer gleichmäßigen Kapazitätsauslastung, dem Einsatz wirtschaftlicher Transportsysteme, einem vergleichweise geringen Raumbedarf der technischen Anlagenkomponenten und den kurzen Transportwegen. Die sequentiell vorgegebene Maschinenfolge und die Gleichmäßigkeit des zu fertigenden Werkstückspektrums entlasten im Vergleich zur Werkstattfertigung den koordinationsbedingten Aufwand der operativen Produktionsplanung. Als Nachteil ist die relative Fertigungsstarrheit festzuhalten, die kaum eine marktorientierte Reagibilität durch Variantenproduktion ermöglicht. Die Störanfälligkeit der Fließfertigung entsteht vor allem aus der fest vorgegebenen Verkettung der Fertigung ohne Ausweichmöglichkeiten.

Die Störung einer Anlagenkomponente unterbricht den Materialfluß. Sie kann ebenfalls auf den nachfolgenden Stationen zum Produktionsstillstand führen. Ist eine rechtzeitige Fehlerbehebung nicht möglich, so kann eine bereichsübergreifende Störungsausdehnung in die nachfolgenden Fertigungsstufen eine Lieferverzögerung auslösen.

3. Gruppenfertigung
Die Gruppenfertigung stellt eine Mischform aus Verrichtungs- und Objektprinzip dar. Das Ziel ist dabei die Minimierung des trade-offs zwischen fertigungswirtschaftlicher Flexibilität und Wirtschaftlichkeit. Im Kern fassen gruppenorientierte Fertigungsprinzipien mehrere Verrichtungsarten räumlich und organisatorisch in einem Fertigungsbereich zusammen, um bestimmte Teilefamilien komplett bearbeiten zu können. Technisch erfordert dies die bereichsbezogene Integration aller zur Erfüllung der vorgegebenen Produktionsaufgabe benötigten Betriebsmittel.

Arbeitsorganisatorisch ist tendenziell eine zunehmende Autonomisierung festzustellen, die zur Reintegration vor allem dispositiver Aufgaben der Produktionsplanung und Produktionssteuerung sowie von Tätigkeiten der Qualitätskontrolle und Instandhaltung in diese Bereiche führt. Die bereichsinterne Materialflußgestaltung erfolgt idealerweise nach dem Fließprinzip. Das Gruppenprinzip spiegelt sich als fertigungsorganisatorische Lösung beispielsweise in den aktuellen Konzepten der Fertigungssegmentierung oder der Fertigungsinsel wider.

Als technische Elemente im Bereich der mechanischen Fertigung kommen vor allem die konventionellen Universal- und Spezialmaschinen zum Einsatz, darüber hinaus aber auch die neuere Fertigungstechnik in Form der flexiblen Fertigungszelle und des flexiblen Fertigungssystems. Unter einer flexiblen Fertigungszelle wird ein auf dem Bearbeitungszentrum basierendes Einmaschinensystem verstanden, in welchem Zuführung, Bearbeitung und systembezogene Ausschleusung der Werkstücke und Werkzeuge automatisiert erfolgen. Die Integration eines Werkstückspeichers ermöglicht die mannlose Bearbeitung einer begrenzten Werkstückzahl.

Ein flexibles Fertigungssystem (FFS) besteht hingegen aus einer Mehrzahl numerisch gesteuerter Werkzeugmaschinen, die über ein gemeinsames Transport- und Handhabungssystem miteinander verknüpft sind. Aufgaben der Prozeßkoordination, -steuerung und -überwachung werden von einem Rechnersystem übernommen Wesentliches Merkmal eines FFS ist der wahlfreie Materialfluß innerhalb der Systemgrenzen gemäß dem Prinzip der Außenverkettung.

Eine weitere zentrale Eigenschaft flexibler Fertigungssysteme ist die automatisierte Prozeßdurchführung. Charakteristisch ist ferner die Möglichkeit der simultanen Bearbeitung unterschiedlicher prismatischer und/oder rotationssymmetrischer Werkstücke auch in kleinen Losen. Außerdem besteht die Möglichkeit des hauptzeitparallelen Rüstens aufgrund eines automatisierten Werkzeugwechsels.
Potentielle Vorteile der Gruppenfertigung werden seitens der Praxis in einer

spürbaren Senkung der Durchlaufzeiten, vereinfachten Materialflüssen sowie gestiegener Reagibilität auf Markterfordernisse gesehen. Darüber hinaus ergeben sich für das Personal vor allem positive motivationale Effekte aus einer Auflösung der tayloristisch geprägten Trennung von Kopf- und Handarbeit.
Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht abschließend die unterschiedlichen Gestaltungsprinzipien des Fertigungsablaufs.


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