Durchlaufzeiten

Begriff der Durchlaufzeit

Durchlaufzeiten beziehen sich stets auf Produkte oder Aufträge, die in einem Betrieb zu erledigen sind. Die Durchlaufzeit eines Auftrags ist die Zeitspanne zwischen der ersten Materialentnahme für die Zwecke der Fertigung und der Übergabe des Erzeugnisses an den Abnehmer oder an das Absatzlager.

Bei der Durchlaufzeit handelt es sich um eine reine Zeitdauerangabe. Sie hängt demnach davon ab, welche Situation für die übrige Auftragsplanung vorausgesetzt wird. Deshalb ist danach zu unterscheiden, ob eine Durchlaufzeit ohne konkrete Terminzuordnung angegeben wird oder bereits nach erfolgter Auftragseinplanung oder sogar nach Auftragserledigung.

Ist nichts anderes ausdrücklich gesagt, handelt es sich bei der Durchlaufzeit eines Auftrags zunächst um eine Plangröße, die ablaufbedingte Wartezeiten noch nicht enthält. Letztere entstehen dadurch, daß benötigte Produktionsstellen noch durch andere Aufträge belegt sind. Je nach Auslastung nehmen diese Wartezeiten allerdings möglicherweise ein erhebliches Ausmaß an. Daher kann aus den Beginnterminen eines Auftrags über die Plan-Durchlaufzeit in der Regel nicht ohne weiteres auf einen voraussichtlichen Fertigstellungstermin geschlossen werden.

Planung von Durchlaufzeiten

Als Grundlage der Durchlaufzeiten-Ermittlung sind für alle notwendigen Arbeitsgänge Zeitdauern festzulegen. Hilfsmittel dazu ist zunächst der sachliche Arbeitsplan. In ihm werden die zur Herstellung eines Produkts erforderlichen Arbeitsgänge aufgelistet und die jeweiligen Arbeitsverfahren und Arbeitsträger, insbesondere Arbeitsstellen und Maschinen, angegeben. Für jeden einzelnen dieser Arbeitsgänge ist dann eine Vorgabezeit zu bestimmen.

Je nach erforderlicher Genauigkeit bieten sich dafür folgende Verfahren an:

⦁ die Verfahren der Zeitaufnahme des Verbandes für Arbeitsstudien e.V. (REFA)
⦁ Systeme vorbestimmter Zeiten
⦁ die Selbstaufschreibung
⦁ Schätzverfahren, insbesondere durch Analogieschlüsse von Zeiten bereits bekannter Arbeitspläne
⦁ Multimomentverfahren

Grundlage der REFA-Verfahren sind Zeiterfassungen für den konkreten Arbeitsgang im betreffenden Betrieb. Sie sind mit Leistungsgradschätzungen verbunden und führen über eine sachliche Gliederung der erfaßten Zahlen in Grund-, Erholungs- und Verteilzeitanteile sowie entsprechende Umrechnungen zu einer Normalzeitvorgabe für den Arbeitsgang. Dagegen basieren die Systeme vorbestimmter Zeiten auf einer gedanklichen Zerlegung des Arbeitsgangs in eine Abfolge von Grundbewegungen, deren Zeitbedarf in Abhängigkeit von zentralen Einflußgrößen (Gewicht, Größe des Werkstücks usw.) aus allgemeinen Tabellen entnommen oder berechnet werden kann.

Es gibt eine ganze Reihe von Systemen vorbestimmter Zeiten. Sie unterscheiden sich in Anzahl und Art der vorgesehenen Grundbewegungen sowie in den berücksichtigten Einflußgrößen. Zu den in Deutschland gebräuchlichsten gehören vor allem das MTM-Verfahren (Methods of Time Measurement) und das Work-Factor-Verfahren.

Sowohl REFA-Verfahren als auch Systeme vorbestimmter Zeiten können mit großer Präzision durchgeführt werden und erlauben somit gut fundierte Zeitprognosen. Sie sind dann entsprechend aufwendig. Je nach Ausgestaltung kann man davon ausgehen, daß für eine Vorgabeminute über 100 Minuten an Zeitplanungsarbeit zu veranschlagen sind.

Was bei Einrichtung einer Fließstraße für die Massenfertigung sinnvoll ist, stellt sich bei Auftragsfertigung von Kleinserien oder Einzelprodukten vielleicht anders dar. Deshalb gibt es einerseits bei beiden genannten Methodenklassen Kurzverfahren, die bei geringerer Genauigkeit deutlich weniger Zeitaufwand verursachen; andererseits kann man auf die weiteren oben genannten Verfahren zurückgreifen. Deren Resultate sind allerdings ohnehin im allgemeinen etwas gröber.

Die ermittelten Sollzeiten der Arbeitsgänge beschränken sich zunächst auf den reinen Zeitverbrauch, und zwar bei Normalleistung. In die Durchlaufzeitprognose für ein ganzes Produkt müssen daher folgende weitere Aspekte eingehen:

⦁ der zu erwartende Leistungsgrad

⦁ mögliche Freiheitsgrade bei der Verfahrenswahl

⦁ Abhängigkeits- und Reihenfolgebedingungen der Arbeitsgänge

Soweit vorhergesehen werden kann, daß im Planungszeitraum ein höherer oder niedrigerer Leistungsgrad als 100% realisiert wird, kann dies durch entsprechende Korrektur der Arbeitsgang-Zeiten bereits berücksichtigt werden. Die so ermittelten Durchlaufzeiten sind dann keine Sollvorgabezeiten für die Leistungsbewertung der ausführenden Stellen, sondern situationsbezogene Prognosezeiten für Planungszwecke.

Freiheitsgrade bei der Verfahrenswahl bestehen dann, wenn derselbe Arbeitsgang auf unterschiedliche Weise, etwa auf verschiedenen Maschinen, ausgeführt werden kann. Soweit dies auch zu unterschiedlichen Zeitdauern führt, ist entweder frühzeitig die Arbeitsausführung festzulegen (was wegen der noch unbekannten Belastung der Arbeitsträger schwierig und auch ungünstig sein kann), oder es sind Alternativzeiten zu ermitteln.

Wie kompliziert eine isolierte Planung von Durchlaufzeiten ist, zeigen vor allem aber die Abhängigkeits- und Reihenfolgebedingungen der Arbeitsgänge. Sie führen dazu, daß die Durchlaufzeit eines Produkts nicht mit der Summe der Arbeitszeiten der Teilvorgänge übereinstimmt. Arbeitsgänge können parallel ablaufen, im Arbeitsplan nicht erfaßte Lager- und Wartezeiten treten hinzu.

Ein eigenes Problem ergibt sich für die Durchlaufzeitenplanung, wenn es sich um Serienfertigung handelt. Voraussetzung für die Durchlaufzeitenplanung ist dann, daß die Seriengröße des Auftrags bekannt ist. So müßten also zunächst aus Verkaufsaufträgen und innerbetrieblichen Lageraufträgen die eigenen Fertigungsaufträge gebildet werden. Diese sogenannte Auftragsumwandlung setzt aber u.a. die Kenntnis der Durchlaufzeiten voraus, so daß hier bei dem üblichen sukzessiven Vorgehen zumindest auf einer Seite mit vorläufigen Zahlen gearbeitet werden muß. Die Durchlaufzeitenplanung für einen Serienauftrag unterscheidet sich methodisch nicht prinzipiell von der eines Einzelstücks.

Allerdings sind hier jeweils Rüst- und Ausführungszeiten zu unterscheiden und mit entsprechender Häufigkeit zu berücksichtigen. Ein besonderes Problem werfen Prozesse auf, bei denen mit verschiedener Losgröße gearbeitet wird. Ein solches Lossplitting kann sich z.B. dort anbieten, wo ein längerer Arbeitsgang von mehreren Produktionsstellen parallel durchgeführt werden kann.

Durchlaufzeiten als Zielgröße

Für die Ablaufplanung ist es oft zweckmäßig, die einzelnen Arbeitsgänge der verschiedenen einzuplanenden Aufträge als Planungsobjekte anzusehen. Dann spielt die bisher besprochene Durchlaufzeit des Auftrags als Prognosegröße nur insoweit eine Rolle, als sie zur vorherigen Angabe möglicher Fertigstellungstermine in Verkaufsverhandlungen dient (wobei durchschnittliche ablaufbedingte Wartezeiten in Abhängigkeit von der Auslastungssituation eigens zu prognostizieren sind).

Eine besondere Bedeutung erlangen aber in dieser Situation die Durchlaufzeiten als Zielgröße. Dabei handelt es sich um die prognostizierten tatsächlichen Durchlaufzeiten, gerade unter Einbeziehung aller ablaufbedingten Wartezeiten.

Die Minimierung der Durchlaufzeitensumme einer ganzen Gruppe gemeinsam einzuplanender Aufträge gehört zu den am häufigsten verfolgten Zielen der Ablaufplanung. Soweit Bearbeitungs- und Rüstzeiten nicht von der Auftragsreihenfolge abhängen, sind sogar folgende typische Ziele der Ablaufplanung äquivalent:

1. Minimierung der Durchlaufzeitensumme aller Aufträge,

2. Minimierung der durchschnittlichen Durchlaufzeit,

3. Minimierung der Summe der Fertigstellungstermine aller Aufträge,

4. Minimierung des durchschnittlichen Fertigstellungstermins,

5. Minimierung der Summe aller ablaufbedingten Auftragswartezeiten (vor der nächsten Bearbeitungsstelle),

6. Minimierung der durchschnittlichen ablaufbedingten Auftragswartezeit,

7. Minimierung der Summe aller Terminabweichungen (Verspätungen und Verfrühungen der Aufträge),

8. Minimierung der durchschnittlichen Terminabweichung von gegebenen Soll-Fertigstellungsterminen der Aufträge.

Diese Äquivalenzliste zeigt die zentrale Bedeutung der Auftragsdurchlaufzeiten für die Ablaufplanung. Freilich stehen die oben aufgeführten auftragsorientierten Zielinhalte in gewissem Gegensatz zu arbeitsträgerbezogenen Zielinhalten, wie etwa Kapazitätsauslastungszielen.

Inwieweit dies zu Zielkonflikten führt und welche Planungsansätze dann anzuwenden sind, ist eine generelle Frage der betrieblichen Ablauforganisation (Fertigungsablaufprinzipien, Logistikkennzahlen).


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